Der erste historische Roman über die „Rote Lena“.

Lara-Maria Wichels als „Lena“. Foto: © Liv Plotz
Lara-Maria Wichels als „Lena“. Foto: © Liv Plotz

DIE ROTE LENA
Die wahre Geschichte der „Giftmörderin“ Marlene Prink

Ihre Zeitgenossen ließen an Marlene „Lena“ Prink vom Gut Brillenburg bei Buxtehude kein gutes Haar. Wie ein blutig-roter Faden ziehen sich die durchweg negativen Überlieferungen über jene angebliche Giftmischerin, die in einer lauen Sommernacht vor genau 185 Jahren ihren kranken Ehemann vergiftet haben soll, durch die Ortschroniken der Region.

Ihr grauenvolles Ende und anonymes Grab fand die 42jährige Frau trotz aller Unschuldsbeteuerungen auf einem Hügel bei Harsefeld. Ihre Überreste wurden 2015 nach langer Such aufgespürt und 2020 exhumiert.

Geradezu märchenhaft mutet der Aufstieg jenes schüchernes Bauernmädchens aus Elstorf an, der es gelang, die Liebe eines mysteriösen britischen Gutsherrn und Abenteurers zu gewinnen und aus einer brutalen Zwangsehe zu entfliehen. Unter seinem Schutz stieg sie aus dem Mägdestand auf zu seiner Mätresse, gebar ihm mehrere Kinder und zog sich durch den Bruch mit allen damals geltenden Konventionen nicht nur den Hass der geschassten Gutsherrin und am Ende die Verachtung der Buxtehuder Gesellschaft zu, sondern geriet in eine Intrige, die sie am Ende aufs Schafott führte. Dieses Märchen endete in einer Tragödie.

Wie stets bei Alsdorfs Romanen führte er die erhaltenen historischen Quellen, darunter eine Fülle von familienkundlichen Daten, mit den allgemein bekannten ländlichen Lebensbedingungen jener Jahrzente zusammen. Mangelernährung, Krankheiten – der Tod in den Familien war allgegenwärtig.

Manches bleibt zunächst fiktiv, bedauert der Autor und forscht derweil für einen zweiten Teil weiter. Und hofft, dass ihm seine Leser und Leserinnen manche vielleicht allzu kitische Passagen nachsehen. Denn das Buch umfasst die vollständige Biografie seiner Protagonistin, von der Geburt unter ärmlichen Verhältnissen in Elstorf bis hinein in ihre Teeniezeit und den Irrungen und Wirrungen der ersten Liebe zu dem oben erwähnten charismatischen Abenteurer. Ihre Eltern sehen die Gefahr, wollen nur das Beste für ihre Tochter und machen alles nur noch schlimmer. Lena wird vergewaltigt, muss ihren Peiniger ehelichen und erlebt in dem Dörfchen Grauen bei Moisburg die Hölle…

Es ist nicht der erste Roman, den der inzwischen im Ruhestand befindliche Mitarbeiter der Archäologischen Denkmalpflege des Landkreises Stade und Vorstandsmitglied des Harsefelder Vereins für Kloster- und Heimatgeschichte über wahre Frauenschicksale vergangener Zeiten verfasst hat. Die vielbeachteten Bände „Anna aus Blumenthal“, „Abels Blut“ und „Anna Brümmers Weg zum Scharfrichter“ brachten die vergessenen schauerlichen Hinrichtungen des 19. Jahrhunderts im Kreis Stade wieder zurück ins Bewusstsein der Menschen.

Es waren verzweifelte junge Frauen, die, geprägt von Zwangsehen und Schwangerschaften in ausweglose Situationen gerieten und zu Täterinnen wurden, erzählt Alsdorf. Ihre Hinrichtungen mobilisierte damals Tausende von Menschen, ihr Blut wurde vor Ort verkauft und gegen allerlei Gebrechen getrunken.

Auch die von den Kanzeln angekündigte Hinrichtung von Marlene Prink lockte am 31. Oktober 1842 Tausende von Menschen aus den Dörfern und Städten der Umgebung hinaus auf eine kahle Anhöhe von Ohrensen nördlich von Harsefeld. Im Gegensatz zu ihren erwähnten Schicksalsgefährtinnen sank sie allerdings nicht ergeben auf die Knie um letzte Gebete zu flüstern um letztlich den tödlichen Streich zu empfangen.

Nein! Bis zum letzten Atemzug wehrte sich die siebenfache Mutter, beteuerte ihre Unschuld, bis ein harter, gegen den Kopf geführter Schlag mit einem Schlagring sie aus dieser Welt führte. Der nervös gewordene Scharfrichter Schwarz musste zweimal ausholen, um die „Rote Lena“ unsterblich zu machen.

Denn vergessen wurde sie am Ort des Geschehens nie. Mag es an ihrem einsamen Grab in der Heide gelegen haben, war es ihr stolzer unbeugsamer Auftritt bei der Hinrichtung? Autor Dietrich Alsdorf jedefalls fühlte sich schon als Jugendlicher von der Mär angezogen.

Bereits 1969 ließ er sich die Stelle des Richthügels von einem Harsefelder Arbeiter zeigen, dessen Vorfahren damals dem schauerlichen Ereignis begewohnt hatten. „Rote Marlene“ wurde sie genannt, wusste dieser.
Auch, dass ihr Grab verflucht sei und es deshalb auf der dicht dabei liegenden Kreuzung zu unerklärlichen Unfällen kam. Der Aberglauben blühte.

Als dann Alsdorf, im Rahmen der ab 1981 stattfindenen Ausgrabung des Harsefelder Klosters nach Hinweis eines weiteren Zeitzeugen auf das verschüttete Verlies aufmerksam wurde, in der Marlene Prink rund 40 Monate zuerst auf ihre Begnadigung, dann auf ihren Tod wartete, war es mit der ewigen Ruhe der Roten Lena vorbei. Seitdem wird bei jeder organisierten Führung über das Klostergelände auf das Verlies der Todgeweihten hingewiesen.

„Ich möchte den Harsefeldern ein Stück Geschichte zurückgeben“, resümiert der Autor. Und hofft, dass fortan die Geschichte der Marlene Prink diffenzierter betrachtet wird. Ein wenig Gerechtigkeit nach 180 Jahren. Zumal sie 2021 ihre endgültige Ruhe auf dem Oberen Friedhof in Harsefeld fand.

© Verlag Atelier im Bauernhaus, Fischerhude.

Der Roman „Die rote Lena“ erschien im Verlag Atelier im Bauernhaus Fischerhude, ISBN 978-3-96045-305-5, 631 Seiten, zahlreiche Abbildungen, ist im örtlichen Buchhandel, im Museum Harsefeld, oder beim Verlag erhältlich und kostet 18 Euro.


Mehr zum Thema unter www.gug-Harsefeld.de - Rubrik Historisches Harsefeld.