Grabhügel in Wangersen

Der Letzte seiner Art – einzig verbliebener Grabhügel in Wangersen restauriert

Von Dietrich Alsdorf

Wie in den meisten anderen Gemarkungen der Samtgemeinde Harsefeld verfügte auch die Gemarkung von Wangersen bis vor einem Jahrhundert über eine stattliche Anzahl von urgeschichtlichen Grabhügeln der Stein- und Bronzezeit. Rund 35 Gräber zählte der erste Forscher und Ausgräber der Region, der Lehrer und spätere Archäologie Willi Wegewitz. Als in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die großen Heidekultivierungen begannen, trugen auch die Bauern in Wangersen einen Hügel nach dem anderen ab. Es war die Sternstunde des engagierten Wegewitz sowie des Heimatforschers Müller-Brauel, die sich mühten, im Auftrage des Stader Museums mittelst Notgrabungen zu retten, was zu retten war. Es blieb fast keiner der südlich bzw. südöstlich des Dorfes befindlichen Grabhügel erhalten!

Der letzte, früher weithin in der baumlosen Heide sichtbare bronzezeitliche Grabhügel war der so genannte „Steinberg“ am Weg nach Klein Wangersen. Nach einer ersten Beschreibung des Provinzialmuseums Hannover aus dem Jahr 1895 hatte er einen Umfang von 70 Schritt bei einer Höhe von zehn Fuß. Wegwitz ermittelte später einen Durchmesser von 28 Metern und eine Höhe von 2,80 Metern.

Nachdem nun wie oben geschildert, über 30 Grabhügel abgetragen bzw. überpflügt wurden, griff die Gemeinde auch nach dem einsamen „Steinberg“. Mit Datum 30. Mai 1925 beantragte Gemeindevorsteher Wiebusch beim zuständigen Landrat in Stade die Genehmigung, das „Hünengrab“ auf dem Grundstück von Jacob Müller abgraben zu dürfen. Begründet wurde der Antrag mit dem benötigten Sand, um verschiedene unbefahrbare Wegestellen auszubessern und dem Umstand, dass die Gemeinde über keinen „Sandplatz“ verfüge.

Landrat Dr. Cornelsen reichte das Ansuchen Mitte Juni 1925 weiter an den zuständigen Direktor des Provinzialmuseums, Dr. K. H. Jacob Friesen, der Cornelsen bat „mit aller Energie darauf hinzuwirken, dass dem Antrage der Gemeinde Wangersen nicht stattgegeben wird.“ Auch schaltete sich Willi Wegewitz aus Ahlerstedt ein und setzte sich seinerseits in einem Brief an Jacob-Friesen energisch für den Erhalt des Hügels ein. Erfolgreich - der Hügel blieb erhalten.

12 Jahre blieb es ruhig um den „Steinberg“. Dann bemerkte der Sammler archäologischer Artefakte, der Lehrer H. Reese aus Bützfleth Beschädigungen an dem Denkmal und meldete diese sowohl nach Hannover wie nach Stade. Doch offenbar geschah nichts. Immerhin verdanken wir diesem Besuch das früheste Foto des Grabhügels.

Die älteste Aufnahme des mit Heide bestandenen Grabhügels von 1937 (Blick von Osten). Die älteste Aufnahme des mit Heide bestandenen Grabhügels von 1937 (Blick von Osten).

21 Jahre nach Reese stand erneut ein Heimatforscher vor dem „Steinberg“ und drückte auf den Auslöser seiner Kamera. Der Lehrer Ludolf Lühmann, ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger aus Beckdorf in seinem Arbeitsgebiet die Stein- und Hügelgräber seines Arbeitsgebiets auf und benachrichtigte die Eigentümer. Der Hügel hatte sich gegenüber 1937 kaum verändert. Nach wie vor war er mit dichter Heide bestanden und war von der Südseite, also von der Straße aus und an seiner Ostseite, wo damals wie heute ein Feldweg verlief, angegraben.

Der „Steinberg“ um 1958 (ebenfalls von Osten). Der „Steinberg“ um 1958 (ebenfalls von Osten).


Der Grabhügel 1969. Der Grabhügel 1969.

Als Anfang 1985 erneut die Stein- und Hügelgräber im Kreisgebiet aufgenommen wurden – diesmal durch die 1981 eingerichtete Dienstelle der Kreisarchäologie – bot der einst so eindrucksvolle „Steinberg“ nunmehr ein trauriges Bild. Vorn der Nordseite her waren erhebliche Mengen Sand abgefahren worden, die Steilhänge waren eingestürzt. Auch war die einstige Heideparzelle mit Nadelgehölzen aufgeforstet worden.

Der Grabhügel 1985.
Der Grabhügel 1985. Der Grabhügel 1985.

An dem negativen Erscheinungsbild hätte sich bis heute nichts geändert, wenn sich nicht vor 18 Jahren der leider viel zu früh verstorbene Johann Lühmann, Sprecher der Wangerser Arbeitsgruppe „Unser Dorf soll schöner werden“, der Sache angenommen hätte. Lühmann nahm Kontakt zum Naturschutz und zum Verfasser als Mitarbeiter der Archäologischen Denkmalpflege des Landkreises Stade und erhielt rasch die notwendige Unterstützung. Der Naturschutz freute sich, ein Stück Gelände wieder zurück in eine Heidelandschaft zu verwandeln und die Archäologie, den einzigen verbliebenen Grabhügel der Gemarkung nicht nur endlich restauriert, sondern mit der Maßnahme dauerhaft erhalten zu können.

12 Jahre nach der Restaurierung
12 Jahre nach der Restaurierung
12 Jahre nach der Restaurierung 12 Jahre nach der Restaurierung

Lühmann machte sich ans Werk, gewann Mitstreiter, ein Baggerunternehmen und die Eigentümerin für das Vorhaben. Ein Teil des Nadelwaldes wurde abgeholzt und der Hügel an seiner schwer beschädigten Nordseite mittels Aufschüttung wieder auf den alten Durchmesser gebracht. Die Heide breitete sich wieder aus und wer heute an dem Grabhügel an der Straße von Wangersen nach Klein-Wangersen vorbeifährt, mag nicht glauben, dass es eine „Kunstlandschaft“ ist, aus der sich der „Steinberg“ erhebt.

Wer den „Steinberg“ besuchen möchte, fährt von Harsefeld nach Wangersen und biegt in der Ortsmitte nach links in den Birkenweg ein. (Weg nach Klein Wangersen.) Nach etwa 2,20 Kilometer liegt die kleine Heideparzelle direkt an der Straße.